Letzte Woche schrieb ich ja: „Heute packe ich meine Sachen und bin schon ganz aufgeregt, ich fahr mit Há und ein paar ihrer Freunde nach Sapa. Wir haben Kleidung gesammelt und werden sie an Bedürftige verteilen. Die Menschen im Norden Vietnams sind sehr arm, sie haben kaum Geld sich warme Kleidung für den Winter zu kaufen und es wird schweinekalt..“
Ja, und nun zurück aus Sapa, sind aus diesen Worten Bilder geworden, die ich nie mehr vergessen werde! Noch nie stand ich buchstäblich im Schlamm und war von solcher Armut umgeben! Kein Strom, kein fließend Wasser, erstrecht kein warmes, Hütten, die aussahen wie Schweineställe, Kinder ohne Unterhosen/ohne Schuhe/nur mit einem T-Shirt bekleidet.. Man kann sich nicht vorstellen, wie diese Menschen leben.
Sechs Vietnamesen, ein Engländer und ich fuhren immer weiter Richtung Norden, bis wir schließlich nur noch 2km von der chinesischen Grenze entfernt waren. Dort war das erste Dorf, Sin Chai, und es verschlug mir die Sprache. Ich stand einfach nur da und hatte Tränen in den Augen. Vor Scham, so reich zu sein. Und auch, weil sie mein Herz berührten, so sehr wie sie sich über die von uns mitgebrachten Sachen freuten! Ich hatte mich die ganze Zeit gefragt, wie diese Kleidung verteilt werden soll, wie soll das gerecht passieren? Wenn es in Deutschland ansatzweise zu solch einer Armut kommen würde (was nicht möglich wäre), würden sich alle auf die Säcke stürzen und das für sie schönste Teil abgreifen wollen, ohne damit jemand beleidigen zu wollen. Doch in Sin Chai und den anderen Dörfern, waren alle ganz ruhig, standen um uns herum und warteten, bis sie etwas in die Hände gereicht bekamen und dann gingen sie zurück und beobachteten das Geschehen aus etwas Entfernung, damit die Nächsten näher treten konnten, um etwas zu bekommen. Ich glaube auch nicht, dass sie dachten „wow, ich habe einen neuen Pullover“, viel eher: „Wow, unser Dorf hat einen neuen Pullover!“.
Die Wege zu den Dörfern waren mehr als abenteuerlich. Der Engländer konnte kein Moped fahren, also saß er bei mir hinten drauf und das war schweineanstrengend! Es war kalt, neblig und regnete, von Straßen war irgendwann keine Rede mehr, wir schleppten uns durch Matsch und Schlamm und fuhren durch Flussbetten, dass die Räder bis zur Hälfte im Wasser standen, die Füße zum Himmel gereicht.
lass ich mal die Bilder sprechen:
Und ihre Bikes mit den gesammelten Kleidern, neuen Schuhen, Trinkpäckchen und Süßigkeiten.
Die „Straße“
Hier durfte nur ein Moped auf der Brücke sein, obwohl allein das schon fraglich war..
Das Dorf Sinh Chai kurz vor der chinesischen Grenze. Kein Strom, kein fließend Wasser, keine Nachrichten. Schweine, Ziegen, Hühner, Hunde und Ratten überall und dazwischen spielen Kinder barfuss, nackt und irgendwie frag ich mich, wie abgehärtet diese kleinen Würmchen sind und wie verweichlicht ich dann sein muss.
Dieses Dorf gehört zu der ethnischen Gruppe der H’Mong. Sie sprechen eine Sprache, die selbst Vietnamesen nicht verstehen können.
Ein Mädchen war 18 Jahre jung und war/ist Mutter von 3 Kindern!
Wir waren so dick eingepackt, froren trotzdem, aber diese Knirpse rennen barfuss durch Schlamm und dann weiter durch den Wasserfall..
Sie beobachteten jeden Schritt ganz genau und warteten einfach. Es fühlte sich wie Weihnachten an, bloß 10x so schön!
Diese kleinen braunen Kulleraugen musterten mich ganz genau. Ich in meinem Regenanzug sah aus wie ein rosa Michelinmänn(d)chen.. Als Kind hätte ich Angst vor mir gehabt.
Schulbücher, Stifte, Socken, Schuhe und Süßes wurden in den Tüten verteilt. Wer eine Tüte bekam, zog sich zurück. so ruhig, in einem Land, was sonst so laut ist, das war unglaublich.
Nur 3 Fusseln auf dem Köpfchen..
Und die Frauen freuten sich für ihre Kinder. Männer habe ich kaum gesehen.
Und der Weg wieder zurück.
zum nächsten Dorf.
zu den nächsten Kindern
die geduldig und kritisch beobachten, was hier passiert.
Der Junge ganz rechts, hatte einen ganz starken Ausdruck, er ließ mich gar nicht mehr los.
Teilweise gab es Winter, in denen das ganze Dorf Monate lang nur Bambusstäbe auskratzte. Bananenbäume neben Hütten, dazwischen Matsch, Tiere und das ist das alltägliche Leben.
selbst die Hunde sahen traurig aus.
Und im letzten Dorf kam dann der letzte Schock, kleine Mädchen (vielleicht 7 Jahre alt), die sogar stolz darauf waren in ihrem Alter schon arbeiten zu „dürfen“.
fertig.
Der erste Tag war geschafft und wir waren es auch. Hunger, Kälte und kaputte Räder trieben uns so schnell wie möglich zurück nach Sapa.
Und langsam ließ der Nebel nach und man sah, wo man eigentlich ist.
Der Tisch wurde immer voller und man zeigte mir, wie und was man in Vietnam isst.
Die Spezialität des Nordens: Reispapier, Lachs, Gurke, Karotte, Zwiebel und Ananas zusammengerollt und in Sojasoße gedippt, fertig.
Der Hotpott,
diesmal als Fischsuppe. Der Fisch schwamm noch vor 5 Minuten im Teich des großen Gartens. Hang suchte uns einen Lachs aus und dann wurde er gefangen und erschlagen. Hätte ich gekonnt, hätte ich da zum zweiten Mal heulen können. Aber es war für alle nicht vorstellbar, dass ich kein Fleisch esse. „Fisch is ok, is’n it Melli???“
BBQ.. Das ging zu weit.. Kücken, einfach so.. mit allem..
oder doch Hühnerbeine?
Vietnam ist das Land der FleischverzehrerInnen. Wenn ich versuche zu erklären, was es heißt, vegan zu leben, hört mir keiner mehr zu.
Oder zum Frühstück: Banh Cuon. Eine Art Pfannenkuchen aus Reis, natürlich mit Fleisch gefüllt und dann mit gerösteten Zwiebeln serviert. Dazu Nudelsuppe mit Bambus und Rind.
Am nächsten Tag hatten wir dann richtig schönes Wetter. Ich seh aus wie ne Schnapsdrossel, mit sonnenverbrannter roten Nase im Gesicht.. haha
Man konnte teilweise so weit gucken, unglaublich schön.
Krasser Wasserfall..haha
Sapa, Berge – Reisfelder – Berge – Reisfelder..
.. Berge – Reisfelder – Berge – Reisfelder – Berge – Reisfelder
Und zwischendrin eine 64jährige Frau, die Tee verkauft und Süßkartoffeln, Reis, Fleisch oder Eier grillt. Die Süßkartoffeln schmecken so so so lecker!
und dann wieder Berge.
und Wolken, die kommen und gehen
Hang und Phuong, die alles organisierten. So liebevoll die beiden! Danke!
Wenn jemand ’nen Plan hat, wie man Armut bekämpfen kann, sagt mir bescheid, ich mach mit!
Eure Melli